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Übergang vom Heim ins Krankenhaus – erfahrungsbericht eines Begleiters

Gerontopsychiatrisch-Geriatrischer Verbund Charlottenburg-Wilmersdorf e.V.

Übergang vom Heim ins Krankenhaus – erfahrungsbericht eines Begleiters

von Andreas Rath, Leiter Gerontopsychiatrisches Zentrum Lyckallee GmbH

Die Sache hat Geschichte. Der GPV wurde 1997 gegründet. Gleich am Anfang bildeten wir eine Arbeitsgruppe „Überleitung ins Krankenhaus“, die sich wissenschaftlich geführt von Prof. Koporal von der Alice-Salomon-Fachhochschule gefühlt über Jahre mit diesem Thema befasste. Am Ende kam der bekannte Überleitungsbogen heraus – durchschreibbar für das KH, die Einrichtung, den Klienten.

Die entwicklung: Bis heute gibt es X – Überleitungsbögen, die Qualitäts-managements der Träger und Einrichtungen entwickelten, eigene und neue und bessere (?!?). Die Rettungsstellen können ein Lied singen über das Konglomerat von Überleitungsbögen – 2 bis 6- seitig, hochkant oder Querformat, gut ausgefüllt oder weniger gut usw.
2009: 6. Berliner Landes gesundheits-konferenz. „Das demenzfreundliche KH“ stand im Mittelpunkt. Es wurde viel geredet, Anwendungsempfehlungen erarbeitet, Konzepte geschrieben, Clinical Pathways eingeführt, das Qualitätsmanagement ausgeweitet, fortgebildet, initiiert, eingebunden, unterstützt, vernetzt usw.

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Victor Garcia

Was ist tatsächlich passiert?
Vivantes hat eine Arbeitsgruppe gebildet – es tut sich was! Mit der Rettungsstelle des DRK – Krankenhauses Westend haben wir einen einfachen und die für die Erste Hilfe mit den notwendigen Informationen aus-gestatteten „Überleitungsbogen Akut“ erarbeitet. Wichtiger für die Ärztinnen und Ärzte sowie die Krankenschwestern und Krankenpfleger aber ist immer noch die persönliche Begleitung unserer dementiell erkrankten BewohnerInnen.
Wir können darlegen, was passiert ist, wir können betreuen während der Wartezeit, wir können beruhigen während der Behandlung, wir nehmen den Bewohner wieder mit ins Heim und kennen die Notwendigkeiten der weiteren Behandlung, wir übernehmen die persönliche Überleitung auf einer Station, wenn eine stationäre Aufnahme erforderlich ist.
Und ehrlich, einige Stationen in umliegenden Krankenhäusern haben sich gut entwickelt. Das hat mit Pflegekräften zu tun, die sich auf die Situation eingestellt haben, Kontakte suchen und z.B. unsere elementaren Hinweise zum Umgang mit den Demenzkranken wissen wollen, diese dann auch umsetzen.

Ergebnis: Allen Beteiligten geht es dann wesentlich besser, weil eine Normalität erreicht ist!

Es gibt aber auch die verfluchten, immer noch alten Strukturen, die es allen schwer machen.

Ein aktuelles Beispiel vom Juni 2012.
Ein Bewohner mit akuten, unklaren kardialen Ausfällen wird über die 112 versorgt und ins KH gebracht. Auf der Intensivstation stellt man fest, dass er einen Herzschrittmacher braucht.
Mit dem Sohn spreche ich ab, dass ich seinen Vater mit allen notwendigen Sachen versorge.

Am nächsten Morgen bringe ich die persönlichen Dinge, die man im KH so braucht, auf die Intensivstation.
„Herr B. wird am Vormittag operiert und dann auf eine Station verlegt! Können Sie die Sachen gleich auf die Station bringen?“
Mache ich! Ich gebe die Tasche im Dienstzimmer ab und biete das Überleitungsgespräch an, das sich an der Dokumentation der Station orientiert.
„Geht noch nicht, die Akte ist noch nicht angelegt!“
Mein Hinweis, dass wir doch nur das Formblatt nehmen und alles eintragen können, was sowieso eingetragen werden muss, wird verworfen.
Wir einigen uns – wenn der Patient ankommt, ruft die Station an und ich fahre noch mal ins Krankenhaus.
18.00 Uhr!
Im Heim ist Kinderlärm. Der Sohn, die Schwiegertochter und ihre beiden Kinder sind gekommen, um die persönlichen Sachen für den Papa und Opa zu holen.
Ja, die Stationsmitarbeiter haben sie zu uns geschickt, um das zu erledigen. Ich wer-de doch mittelschwer wütend und rufe die Station an.
„Erstens, die Tasche mit den persönlichen Sachen steht im Dienstzimmer. Oh, ja, da ist sie! Das tut uns leid! Zweitens, Sie wollten anrufen, wenn der Patient auf die Station gebracht wird! Oh, davon weiß ich nichts, aber er ist sehr verwirrt!“
Wir fahren zu fünft ins KH.
Der Bewohner sitzt auf seinem Bett. Er macht äußerlich einen dynamischen und körperlich fitten Eindruck. Irgendetwas stimmt jedoch nicht. Er steht auf, setzt sich hin, steht auf, setzt sich hin. Wirkt orientierungslos!
Wir fragen ihn, ob er Durst hat. JA, JA, JA – das ist es! Er giert 2 Becher Wasser hinter-einander weg. Dann den nächsten.
Die Schwiegertochter ist Ärztin und fängt sich an aufzuregen. Sie analysiert den Tag. Früh auf der Intensivstation die OP-Vorbereitung – nüchtern.
Dann – irgendwann am frühen Nachmittag – Verlegung auf die Station. Auf seinem Nachttisch steht alles, was er zum Trinken braucht, sicher hat er auch einen entsprechenden Hinweis erhalten. Konnte ihn aber nicht umsetzen.
Sie geht zum Dienstzimmer und klärt den Sachverhalt. Mein Bewohner trinkt derweil weiter und erfreut sich an den Enkelkindern. Nach einer halben Stunde ist er deutlich orientierter, so, wie wir ihn kennen. Die Familie bleibt noch im KH, ich gehe nach Hause.

Nach meiner Auffassung ist der Weg von der Erkenntnis (Demenzkranke brauchen neben der erforderlichen chirurgischen Versorgung eine andere, eben auf den Ausgleich ihrer Defizite abgestimmte Nachsorge und Betreuung!) zur praktischen Umsetzung eher steinig und schwierig als einfach.
Einfach wäre einfach – fragen, wie er zur versorgen ist (Dauert nicht lange und muss sowieso gemacht werden!) und mit Gespür für die Lücken die Versorgung organisieren und durchführen.
Die Orientierung an uns hirnorganisch Gesunden ist anzustreben. Wie der Demenz kranke kommen wir ins KH. Haben Schmerzen, sind unsicher, was da auf uns zukommt, erleben eine neue Umgebung, unbekannte Menschen usw.
Nur können wir eben sagen, wie der Grad unserer Schmerzen ist, können ein zweites Kissen verlangen, um in dem Pflegebett liegen zu können, kommen mit der ungewohnten Umgebung klar – lesen, schauen in die Glotze. Und können trinken und essen!

Und hier muss neben der Diagnose „Implantation eines Herzschrittmachers wegen …“ unbedingte die Diagnose „Morbus Alzheimer im frühen Stadium“ stehen. Und jemand muss fähig und willens sein, die Auswirkungen der zweiten Diagnose in den Behandlungs- und Nachsorgeprozess einfließen zu lassen.
Daran ist zu arbeiten – denn die jetzt ins Krankenhaus kommen können nicht warten, bis wir uns ausdiskutiert, geplant und um-gesetzt haben in unserem Bestreben, es so zu tun, wie es ganz einfach erforderlich ist.

Die Rückkehr aus dem KH ins Heim ist für uns meist kein Problem – wir waren oft im KH und kennen die Situation.
Eigentlich! Dann passiert aber auch der pflegerische Ausrutscher, der mit uns hirn-organisch Gesunden nicht passiert wäre.
Dies teilen wir dem ärztlichen Direktor mit, wie wir übrigens immer einen Brief an das KH schreiben, wenn ein Bewohner zurückkommt.
Das nennen wir die Stimme erheben für die, die es nicht mehr können – in positiver wie auch kritischer Hinsicht.
Der ärztliche Direktor und das Quali täts-management eines KH haben zu einem kritischen Fall aus dem November 2011 hervorragend reagiert. Das merkten wir an den Antworten und einem gleich darauf folgenden kurzen 2. Aufenthalt des Be-wohners auf der gleichen Station – er kam topp versorgt wieder zurück.

Mein Wunsch für die heute beginnende Zukunft:
Wir müssen die Mühseligkeit und Zähigkeit, die hierarchische und menschliche Strukturen mit sich bringen, hinter uns lassen und einfach das tun, was wir Menschen doch auch gut können – aufmerksam und kreativ sein, Optimismus ausstrahlen, neugierig sein, Lust und Freude am Erfolg haben. Das ist Lebenselixier!

Es wird allen Beteiligten besser gehen, wenn dies gelingt.